13.5.2021 – 16.5.2021 (wegen Corona um ein Jahr verschoben)
Agrecol Sommertreffen 2021: Ökodörfer, Landwirtschaft und Leben in Gemeinschaft: Modelle für ländliche Entwicklung?
Datum: 23.-25.07.2021
Ort: Schloss Tonndorf in Thüringen (20km südlich von Erfurt)
https://www.schloss-tonndorf.de/
In diesen schwierigen Corona Zeiten, war es einfach wunderbar sich mal wieder live und ganz face-to-face zu treffen. Das Schlösschen Tonndorf liegt etwas versteckt etwa 20 km süd-östlich von Erfurt, somit mitten in Thüringen; und es hat schon etwas Mühe gekostet, hoch auf den Berg zu kommen.
Der Ausblick war dafür eine große Belohnung und den kann man sehr gut vom Hofcafé, vom Plenarraum und natürlich ganz besonders vom hohen Turm, dem Burgfried, genießen.
Während des ersten Abendsplenums haben wir uns auf den Ablauf geeinigt, der wie geplant, der folgenden Tabelle entnommen werden kann.
Im Zentrum des Treffens stand somit das Fallbeispiel Schloss Tonndorf sowie die beiden Exkursionen nach Haina und Cobstädt. Der Bericht konzentriert sich im Wesentlichen auf eine Beschreibung der drei Fallbeispiele.
Ökodorf: Schloss Tonndorf
Die Gemeinschaft (e.V.) besteht aus 60 Personen inclusive der Kinder. Es gibt mehrere Einkommensaktivitäten wie ein Café, Seminartätigkeit, Cateringservice, Milchproduktion, Imkerei, Waldkindergarten, integrative Tagesbetreuung sowie verschieden Handwerker. Für die Sanierung des Schlosses wurde eine eigene Genossenschaft gegründet die Zimmer an die Mitglieder vermietet.
Die Bäuerin Christiana Schuler hat in einem humorvollen Vortrag und Führung durchs Schloss viel über die Geschichte des Schlosses, der Gemeinschaft und natürlich besonders über ihren Landwirtschaftsbetrieb berichtet. Das wichtigste dazu hier.
Die Festungsanlage wurde schon um das Jahr 800 herum erstmals erwähnt, aber das heutige Schloss wurde erst vor etwa 250 Jahren errichtet. Und auch seit dem hat es viele turbulente Zeiten überlebt. Um die Jahrhundertwende hatte ein Industrieller erheblich in den Bau investiert, später verfiel es wieder teilweise, nach dem Krieg war es lange ein Altersheim und im Jahr 2005, also vor 15 Jahren wurde die Ökodorf Initiative gegründet und konnte das Schloss für erwerben. Die Sanierung geht mit viel Planung und Aufwand und Arbeit einher.
Heute ist die Gemeinschaft schon mal ganz stolz, dass die Brücke vor dem Haupteingang vor dem Verfall gerettet wurde, ein Schloss Café Trakt ist renoviert, einige Zimmer und Seminarräume für die Vermietung ebenso, der Küchenbereich und eine große Anzahl Zimmer für die Bewohner. Aber es liegen noch weitere Erneuerungsarbeiten vor der Gemeinschaft. Auch in den Nebengebäuden sind noch Renovierungen nötig.
Christiana und ihr Partner sowie eine Absolventin eines FÖJ sind die einzigen in der Gemeinschaft, die in der Landwirtschaft tätig sind. Es gibt noch eine große Imkerei und einen größeren Gemüsegarten. Christiana arbeitet in ihrer Landwirtschaft mit 3 Kühen, deren Milch als Frischmilch im Umland und direkt an die Cateringküche der Gemeinschaft verkauft wird. Zwischenzeitlich waren es 4 Kühe, aber sie stellte fest, dass 3 die perfekte Zahl für ihren Betrieb ist. Damit handelt sie also in jeder Hinsicht sehr anders als die allgemeine Bauernschaft hier im Lande, und dies war sehr aufmunternd.
Während der Plenumsdiskussionen wurde versucht Fragen zum Aufbau der Gemeinschaft zu erlangen, aber die 2-3 Stunden der Hofbesichtigungen waren bei Weitem nicht ausreichend diese jeweils vertieft zu verstehen. Einige Fragen konnten aus Zeitmangel letztlich nicht gestellt werden.
Hofkäserei Haina (https://www.hofkaeserei-haina.de/)
Haina ist eine kleine, eher wirtschaftlich orientierte Kooperative, die eine sehr erfolgreiche Käserei und Bauernhof führen. Sie legen sehr großen Wert auf die Natürlichkeit und die Regionalität ihrer Produkte. Alle Geschäftsprozesse vom Futtermittel bis hin zur Käsevermarktung oder Schlachtung finden mit Partnern im Umkreis von 50km statt.
Die Exkursionsgruppe wurde in der Burgmühle in Haina von Karin empfangen. Sie ist Bäuerin und Käserin des landwirtschaftlichen Betriebs der Hofgemeinschaft Burgmühle und betreibt die Landwirtschaft zusammen mit ihrem Mann Reiko. Die anderen 10-12 Mitglieder der Gemeinschaft arbeiten meist außerhalb.
Entstanden ist die Lebensgemeinschaft als Projekt des „Freien Radio Erfurt“ Anfang der 1990er Jahre. Die Burgmühle war im kommunalen Besitz, ziemlich heruntergewirtschaftet und hatte davor als Freizeitheim eines Industriebetriebs gedient. Die Gruppe junger Radiomacher hatte ein Konzept, Gebäude und Gelände als Jugendbegegnungsstätte auszubauen. Dies geschah in den 90er-Jahren mit Hilfe von ABM-Stellen, mit welchen die anfänglich 15 Personen notwendige Umbauarbeiten finanzierten. Dabei gab es auch öfter Treffen von wandernden Gesellen und gemeinsame Bauprojekte. Karin stieß Anfang der 2000er Jahre dazu, sie war wandernde Landwirtsgesellin.
Die Landwirtschaft in Haina entstand wohl nicht als Vision der Gründungsgruppe, sondern eher aus dem Antrieb einzelner, die in der Gruppe dann jedoch auch den Raum für ihre Ideen fanden. Umsetzung und Betreiben der Landwirtschaft ist jedoch ausschließlich Karins und Reikos Sache. Reiko ist Vorantreiber, hält und entwickelt Außenkontakte, beschafft Förderung und Kredite für notwendige Investitionen in der Landwirtschaft (Traktor). Er ist Vorsitzender der ABL Thüringen. Karin treibt die Landwirtschaft um, meistert den Alltag mit Tieren, Käse machen, Produkte verkaufen.
Auf dem Hof leben damit auch Kühe, ein paar Schweine und natürlich die Ziegen. Gemolken wird einmal am Tag, die Tiere haben Weidegang. Gefüttert werden Grundfutter und wenig eigenes Getreide. Gewirtschaftet wird nach den Richtlinien der biodynamischen Landwirtschaft, ohne jedoch bei Demeter zu sein. Stattdessen haben sie die EU-Bio-Zertifizierung. Die Gemeinschaft hat einen hohen Selbstversorgungsgrad, einige Mitglieder betreiben Gemüse- und Kräutergarten.
Der Verkauf von Produkten geschieht über Direktverkauf am Hof, Käse wird auch an kleinere LEH bis Erfurt geliefert. Fleisch wird als Tieranteil an Kunden abgegeben, dadurch ist Hofschlachtung möglich. Karin hält den Umfang des Betriebs so für ausreichend, hat keine Pläne für ein Aufstocken der Herden. Im nächsten Jahr will die Gemeinschaft aber anstelle eines baufälligen Schuppens ein Gebäude für den schon bestehenden Hofladen und vielleicht auch für ein kleines Hofcafé bauen.
Insgesamt ist das Motto: Gemeinsam Leben und gemeinsames Gestalten des Alltags.
LebensGut Cobstädt e.V. (https://www.lebensgut-cobstaedt.de/pages/de/startseite.php)
Die Gemeinschaft ist ein sozialökologisches Projekt, das von einer Gruppe von Gartenbaustudierenden aus Gotha 2004 gegründet wurde.
Auf dem Gelände gibt es eine Schmiede, Sozialarbeit mit Kindern, eine Künstlerwerkstatt, eine Pilgerherberge und vieles mehr. Landwirtschaftlich fokussiert sich die Gemeinschaft auf einen naturnahen, ganzheitlichen Landwirtschaftsbetrieb mit Gemüseselbsterntegarten.
Aktuell besteht die Gemeinschaft aus 7 Höfen und umfasst 45 Personen. Alle Höfe arbeiten für sich gesehen ökonomisch selbstständig. Zentral geteilte Werte sind ein „gutes Leben“, welches über verschiedene Aspekte verwirklicht werden solle: 1/3 Subsistenz-Landwirtschaft, 1/3 Erwerbsleben und 1/3 Freizeit. Die Gemeinschaft hat weitere Betriebe auf den Kanarischen Inseln und verbringt dort regelmäßig den Winter. Neben der Vernetzung vor Ort, spielt die deutschlandweite und weltweite Vernetzung eine große Rolle. Es werden viele alte Kreisläufe wie Obst und Apfelsaft wiederbelebt. Kleidertausch und das Prinzip des selber Bauens spielen eine große Rolle: Die alten Gebäude werden naturnah renoviert, kleine Windkraftanlagen werden gebaut, besondere Heizsysteme für Gewächshäuser entwickelt, aus einer alten Scheune wird ein Tagungsort mit Pilgerstädte.
Im Bereich der Landwirtschaft versucht man eine „Arche der Vielfalt“ zu entwickeln. Man entwickelt ein Permakultur-System „Obst und Gemüsewald mit Unterfrüchten“.
Spezialisiert ist man auf alte Obstsorten und Edelreiser werden per Versand europaweit vertrieben. Die eigene Saatgutbank umfasst bereits 1000 Sorten.
Innerhalb Thüringens ist man gut vernetzt und das Modell ermöglicht mehr und mehr Höfen sich ihnen anzuschließen. Über Baumpatenschaften spricht man insbesondere Jugendliche und Schulen an. Dies wird mit besonderen Lehrangeboten für Schulen kombiniert.
Die Gemeinschaft ist offen für weiteren Zulauf. Der Wohnraum ist die knappe Ressource. Aus diesem Grund leben ein Teil der Interessierten in Bauwägen. Man versucht über Spiritualität neue Lebenskraft zu generieren. Verschiedene Resonanzen, Therapieformen werden dabei erprobt. Wo will man hin? Man will das Leben weiter in die Menschlichkeit hin entwickeln.
Besonders interessant sind auch die Möglichkeiten ein Praktikum zu machen und die Höfe bieten auch Stellen für das Bundesfreiwilligenprogramm.
AnhangGröße ProgrammAgrecolTonndorf.png83.34 KB SchlossTonndorf.png1.34 MB HofkaesereiHaina.png1.06 MB LebensgutCobstaedt.png753.11 KB