42. Herbst 2009: Wertschöpfungsketten im Fairen Handel u. im Ökolandbau (Hofgeismar

42. Herbst 2009: Hofgeismar
Wertschöpfungsketten im Fairen Handel und im Ökolandbau: Welchen Nutzen können Sozialstandards für die Akteure bringen?

9.-11. Oktober 2009, Hofgeismar

Einführung

Auch in der Vergangenheit hat sich AGRECOL bei seinen Treffen nicht nur mit nachhaltiger Landwirtschaft und Ökolandbau im engeren Sinne beschäftigt, sondern unter anderem auch mit ländlicher Entwicklung, regionaler Vermarktung, fairem Handel und Klimawandel. Dabei war unsere Sicht meistens an der Perspektive der Kleinbauern und der Förderung von Kleinbauern orientiert.

Auf dem Herbsttreffen 2009 wollen wir einen erweiterten Blick auf die gesamte Wertschöpfungskette legen: einen Blick, der den Teil der Verbraucher mit ins Bild nimmt, der ebenfalls ein Interesse an einer Handelskette ohne Ausbeutung hat.

Hintergrund

In den letzten Jahren wird immer deutlicher, wie stark der Einfluss der großen Handelsketten auf die Arbeitsbedingungen nicht nur kettenintern ist, sondern auch auf die Arbeitsbedingungen aller vorgelagerten Akteure und auch der großen und kleinen Konkurrenten.[1]

Da die Discounter und Supermarktketten vor allem über den Preis operieren und versuchen, Kunden über den Preiskampf zu gewinnen, ist Kostenreduktion in allen Bereichen ein zentrales Instrument für diese Akteure. Dabei wird ein immenser Druck auf alle Akteure der Wertschöpfungsketten erzeugt und bewirkt immer unfairere Handelspraktiken, nicht nur im Süden, sondern auch im Norden.

Fairer Handel

Der sogenannte „Faire Handel“ entstand vor mehr als 30 Jahren mit der Perspektive bessere und nachhaltigere Preise für kleinbäuerliche Produktion und Arbeitsbedingungen im Süden zu fördern. Wurden fair gehandelte Produkte ursprünglich vor allem von „Eine-Welt-Läden“ vertrieben, so sorgt die zunehmende Vermarktung über Discounter für Diskussionsstoff. Stichworte sind dabei mangelnde Glaubwürdigkeit von fair gehandelten Produkten in „unfairen“ Verkaufsstätten, oder ein befürchtetes/tatsächliches Aufweichen von Standards durch große Marktmacht von Discountern. Demgegenüber stehen Argumente, dass über Discounter ein größerer Umsatz erreicht wird, und dass mehr fair gehandelte Produkte auch größere Vorteile für mehr Kleinbauern im Süden bedeuten.

Bio, regional, fair

In den letzten Jahren/Monaten wurden in Deutschland viele Initiativen gestartet, die sich die Förderung von gerechten Arbeitsbedingungen in der gesamten Wertschöpfungskette explizit zum Ziel gesetzt haben. Dabei steht bei den meisten Initiativen nicht der klassische „Faire Handel“ und dessen Produkte im Fokus, sondern sie verstehen sich als bio-regio-fair Initiativen. Für viele dieser Initiativen stehen gemeinsame Werte wie ein ökologisch ausgerichteter Umgang mit Ressourcen, Regionalität in der Verarbeitung und Vermarktung, Saisonalität, fairer oder partnerschaftlicher Umgang mit Handelspartnern, eine Präferenz für klein bis mittelstrukturierte Betriebsformen in Erzeugung, Verarbeitung und Handel, etc im Vordergrund. Werte die mit der zunehmenden Verbreitung von Bio, dem Aufstieg vieler kleiner Akteure zu großen Firmen, dem Einstieg von branchenfremden Firmen, also der zunehmenden Ausdifferenzierung des Biomarktes zunehmend verloren gegangen sind.

Das Treffen

Wir halten die Impulse, die aus der bio-regio-fairen Diskussion und der Diskussion über Sozialstandards kommen für wichtige Elemente, die beide die In-Wert-Setzung kleinbäuerlicher ökologisch ausgerichteter Produktion, Verarbeitung und Vermarktung voranbringen können.

Auf dem Treffen wollen wir deswegen die Erfahrungen aus dem Fairen Handel und die noch jungen Erfahrungen aus verschiedenen bio-regio-fair Initiativen gemeinsam beleuchten. Dabei interessieren uns auch besonders die Erfahrungen aus dem Textil- und dem Holzbereich (insbesondere deren Sozialstandards und die Wirkungen verschiedener Standards und Zertifizierungen auf kleine und mittlere Anbau-, Verarbeitungs- und Vermarktungsstrukturen)..

Um unsere eigenen Erfahrungen, die vor allem aus der Entwicklungszusammenarbeit kommen zu erweitern und bereichern, wollen wir gerne andere Akteure aus dem bio-regio-fair Bereich und dem Fairen Handel einladen (hier gerne Spezialisten zu Standards – auch aus den Bereichen Textil und Holz). Dabei ist es uns wichtig, mehr über die Wirkungen der verschiedenen Standards auf kleinstrukturierte Produktion, Verarbeitung und Vermarktung zu erfahren.

Ziel ist es, voneinander zu Lernen und die Erfahrungen für die Weiterentwicklung von Kriterien des fairen Handels und für bio-regio-fair Initiativen nutzen zu können. Ein weiteres Ziel ist es, herauszufinden, ob es sinnvoll und möglich erscheint, gemeinsame Kriterien für Sozialstandards und Regionalität (weiter) zu entwickeln, die sowohl im klassischen fairen Handel als auch im deutschen Biohandel nutzbringend umgesetzt werden können

Veranstaltungsort und Zeitpunkt

Wir treffen uns vom Freitag 9. Oktober (Abends) bis Sonntag 11. Oktober (Mittags).

Unser Treffen wird in der Evangelischen Akademie Hofgeismar stattfinden. Hofgeismar liegt im Reinhardswald und ist mit der Bahn gut vom ICE Bahnhof Kassel Wilhelmshöhe zu erreichen (30 Minuten Fahrzeit).


[1] (z.B. die Supermarktstudie von Oxfam „Supermärkte auf dem Vormarsch im Süden – Bedrohung für Kleinbauern?“, die Kleidungsdiscountstudien von ccc (clean clothes campaign) „Wer bezahlt unsere Kleidung bei Lidl und KiK?“ (auch Englisch „Who pays for our clothing from Lidl and KiK“) und „Cashing in – Giant retailers, purchasing practices, and working conditions in the garment industry“, u.a.)